1. Grund: Dem Druck der Partnersuche ein Ende machen: Liebe und Familiengründung unabhängig voneinander betrachten und einen Kindsvater statt einen Partner fürs Leben suchen.
Tanja ist 39 Jahre alt und hat nun schon seit vielen Jahren einen großen Kinderwunsch. Sie hatte in ihrer letzten Beziehung mehrmals versucht, über das Thema zu sprechen. Irgendwann musste sie jedoch feststellen, dass ihr damaliger Partner Erik einfach nicht bereit dazu war, sich auf ein ernsthaftes Gespräch darüber einzulassen.
Sie konfrontierte ihn schließlich mit seinem ausweichenden Verhalten und daraufhin gestand er ihr, dass er überhaupt kein Interesse daran habe, Kinder zu bekommen. Enttäuscht trennte sich Tanja und versuchte von nun an, das Thema Kinder bei einem Treffen mit einem neuen Mann sofort in den Vordergrund zu stellen, um von vornherein deutlich zu machen, dass sie den Wunsch hatte. Auch in ihrem Profil auf einer Dating-Plattform gab sie an, Kinder zu wollen, damit sich nur die Männer melden, die es nicht kategorisch ausschließen, Vater zu werden. Tanja fühlte sich jedoch nicht wohl mit dieser Art der Partnersuche: sie merkte immer wieder, dass sie sich in den Treffen angespannt und manchmal sogar verkrampft fühlte. Sie empfand Druck, aufgrund ihres Alters keine Zeit mehr verlieren zu dürfen. Sie schämte sich dafür, dass die Männer die sie traf denken könnten, dass sie Torschlusspanik habe und letztlich nur einen Vater für ihr Kind suchte. Sie hatte auch Angst, dass die Männer sich daraufhin reduziert fühlen könnten, ob sie die Vaterrolle gut erfüllen würden. Der Anspruch, den richtigen Partner, sowohl als Liebespartner als auch als Vater, wählen zu müssen, überforderte sie. Ihre Leichtigkeit und Unbefangenheit waren ihr nach einer Weile des Suchens gänzlich abhandengekommen.
Da erzählte ihr eine Freundin von dem Familienmodell des Co-Parenting. Wie wäre es, wenn sie die Suche nach einem Liebespartner von der Familiengründung entkoppelte, und sich zunächst einmal den dringlichen Wunsch erfüllte, ein Kind zu bekommen? Tanja empfand diesen Gedanken zunächst als komisch. Sie hatte sich bisher immer vorgestellt, dass sie ein Kind mit einem Mann den sie liebte bekommen würde. Aber sie merkte auch, wie befreiend es für sie war. Sie war enttäuscht von ihrer letzten Beziehungserfahrung, aber gerade diese Enttäuschung hatte sie so weit gebracht, dass sie ihren eigenen Kinderwunsch nun umso deutlicher fühlen konnte.
2. Grund: Zwei Schwestern auf der Suche nach einem Samenspender, um ihre Kinder als Geschwisterpaar gemeinsam und unabhängig von einem Vater aufzuziehen
Ähnliche Gründe haben auch Sibylle B. dazu bewogen, Co-Parenting als Familienmodel zu wählen. Sibylle ist 41 Jahre alt und arbeitet als Lehrerin in einer mittelgroßen Stadt in Süddeutschland. Als langjährige Single-Frau hatte Sibylle den Wunsch nach einer Familie fast schon aufgegeben, bis sie von Co-Parenting hörte. Auch für sie stellte das Familienmodell eine Chance dar, sich den Wunsch nach einer Familie zu erfüllen, ohne dabei eine Beziehung eingehen zu müssen, von der sie nicht überzeugt war. Sie berichtet, dass sie zuvor einige Versuche gestartet hatte, jedoch merkte sie bald, dass sie durch den Druck ihrer biologischen Uhr nicht entspannt bei der Partnersuche war. Auch ihre Lebensgewohnheiten erschienen ihr häufig nicht kompatibel mit denen der Anderen. Dies verunsicherte sie bei der Partnersuche zusätzlich. Dies sei sogar schon in ihrer Schulzeit ein Problem gewesen, berichtet Sibylle. Sie habe sich immer als Außenseiterin empfunden. Hinzu kommt, dass sie mit ihrer Schwester, die ein Jahr älter ist als sie, eine sehr enge Beziehung pflegt und die beiden immer wieder die Überlegung hatten, gemeinsam ihre zukünftigen Kinder groß zu ziehen. „Es geht uns beiden ähnlich: Wir haben beide keine Lust auf komplizierte Beziehungen und Kompromisse im Zusammenleben mit Männern, die wir nur oberflächlich kennen und mit denen wir uns hauptsächlich wegen des Kinderwunsches zusammengetan hätten“, berichten die Schwestern. So schien ihnen der Schritt naheliegend, nach einem Samenspender für ein Kind zu suchen, für das die beiden gemeinsam verantwortlich sein möchten.
Die Schwestern haben zwar bisher noch nicht den richtigen Samenspender getroffen, sind aber weiterhin auf den einschlägigen Portalen für Co-Parenting auf der Suche nach einem Mann, der bereit ist, sie zunächst kennen zu lernen. Mehr darüber findest du in unserem Beitrag: Samenspende
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Warum wir uns immer in den Falschen verlieben
3. Grund: Als Ex-Partner miteinander verbunden bleiben – durch ein gemeinsames Kind, das bewusst erst nach der Trennung gezeugt wurde, weil beide Partner einander als Eltern vertrauen, jedoch nicht als Liebespaar zusammen leben möchten.
Die Geschichte von Moritz G. und seiner Ex-Freundin Lisa M. ist ein weiteres Beispiel dafür, wie das Modell des Co-Parentings die Möglichkeiten birgt, die Menschen zu kreativen und naheliegenden Entscheidungen zu befähigen.
Fazit:
Die Gründe aus denen Menschen sich für das Familienmodell des Co-Parentings entscheiden, sind vielfältiger, als man zunächst annehmen würde. Das Familienmodell bietet Lösungen für gleich mehrere Probleme, die von der physischen Durchführbarkeit einer Schwangerschaft bis zur Verwirklichung von Utopien im Zusammenleben reichen:
- Der Druck, den richtigen Partner sowohl für die Liebe als auch für Kinder zu finden, kann die Suche erheblich erschweren und der Kinderwunsch kann dadurch weiter nach hinten verschoben werden. Dies ist gerade bei Frauen, deren biologische Uhr tickt, nicht immer unproblematisch und führt oft zu mehr Druck. Um dem Kinderwunsch die Priorität zu geben, kann die Suche nach einem Co-Vater statt eines Liebespartners sinnvoll sein.
- Die Möglichkeit, mit einer vertrauten Person wie der eigenen Schwester, dem eigenen Bruder oder einer bzw. einem sehr guten Freund:in eine Familie zu gründen, hat für manche Menschen Priorität davor, eine Liebesbeziehung zu finden und darin ein Kind zu zeugen.
- Wenn zwei Menschen die einmal ein Paar waren, sich weiterhin gut verstehen und einander vertrauen, können sie den Kinderwunsch trotzdem umsetzen, auch wenn ihre romantische Liebesbeziehung bereits beendet ist.
Diese Beispiele zeigen, dass Menschen zu naheliegenden und pragmatischen Lösungen neigen, wenn sie von der Last der ideologisch aufgeladenen Erwartung befreit werden, Familie nur im Kontext einer romantischen Partnerschaft denken zu können. Hier bietet das Modell des Co-Parentings eine Offenheit, die für viele Menschen eine Chance bietet, sich ihren Kinderwunsch zu verwirklichen.
Zur Autorin:
Anna Schmutte ist Coach, Körpertherapeutin und systemische Familientherapeutin. Zusammen mit der Autorin Sarah Diehl leitet sie Seminare zum Thema Kinderwunsch und Ambivalenz.
Anna hatte lange Zeit keinen starken Kinderwunsch und ist mit 43 dann doch noch glückliche Mutter geworden. Sie genießt es, in ihrer Berliner Praxis mit Klient:innen zu arbeiten und auf dem P4B-Blog über die Themen Kinderwunsch, Co-Elternschaft und Pflegekinder zu schreiben. Außerdem bietet Anna den Online-Kurs "Will ich Kinder?" an, der gerade auf ihrer Webseite diekinderfrage.de erschienen ist.